#129 „Wir Männer müssen dringend an einem gesunden, zeitgemässen Bild unserer Männlichkeit arbeiten“

Ja, Männer. so schaut’s aus. Mir ist das schon seit längerem sonnenklar. Nur wie machen wir das, wie gehen wir da ran und wie bringen wir da besonders jene zum Tisch, die in ihren uralten , teilweise antiken, patriarchalischen Männerbildern hoffnungslos stecken geblieben sind und die Frauen und Partner noch immer als ihr wertvollstes „Eigentum“ zu betrachten gewohnt sind und glauben, dass Mann nach wie vor das Privileg hat, mächtig, stark , und souverän über jeder und jedem und allem herrschend und weit darüber stehend zu sein hat, besonders auch seinen männlichen Kumpels und Freunden gegenüber, auf keinen Fall weinen darf, als Indianer keinen Schmerz kennen darf und auf schon gar nicht als Schwächling, als weinerliches Waserl und Pantoffelheld unter der sogenannten „Fuchtel“ der Frau abgestempelt werden darf. Damit kann diese Art von Männlichkeit gar nicht.

Dort „wachsen“ sicher viele der Energien und die Wut, die für all diese schrecklichen, auf jeden Fall zu vermeidenden Frauenmorde, verantwortlich zeichnet, in genau diesen Bildern und Vorstellungen von Männlichkeit. Häusliche Gewalt allerdings ist jedoch sicher auch keine Einbahnstrasse ausschliesslich von Männern in Richtung der Frauen. Es gibt genug Mütter, die ihre Kinder, egal ob Mädchen oder Buben schlagen, und eben nicht nur Väter. Auch das ist „häusliche Gewalt“. Wo in meiner Wahrnehmung das Schlagen nicht nur ein Zeichen von Macht, krankhafter Eifersucht und Besitzdenken ist, sondern meines Erachtens sehr oft auch ein Zeichen von Hilflosigkeit. Manchmal möglicherweise auch ein Gefühl des verhöhnt und / oder ausgelacht und lächerlich gemacht Werdens.

Wenn ich jetzt so in Gedanken die Männer in Form meiner Urgrossväter, Grossväter, meinem Vater, den Vätern meiner Partnerinnen, mich selbst, meinen Sohnemann, die Söhne meiner Liebsten und ihre Väter und meinen Schwiegersohn so vor meinem geistigen Auge mit ihren jeweiligen Frauen und Partnerinnen vorbeiziehen lasse, fällt mir natürlich schon einiges, möglicherweise durchaus Beachtenswertes auf, was uns mit helfen könnte, ein neues Männerbild für uns Männer, zusammen aber auch mit den Frauen, Partnerinnen und Kindern, zu entwicklen und zu schauen, ob wir uns da noch als Mann wirklich darin finden können.

Da waren einmal meine Urgrossväter und mein Grossvater mütterlicherseits, alle eher ruhige, in sich ruhende, gross gewachsene, eher hagere Förster, Jäger und Waldmenschen mit grossteils tiefen, resonanten, permanent Geschichten erzählenden Stimmen, und im Falle meines Opa’s, mit einer eher klein gewachsenen, zierlichen, feingliedrigen Frau mit immens grossem Busen zusammen war. Meine sanfte, liebevolle Oma, von der ich nie das Gefühl hatte, dass sie von meinem Opa terrorisiert oder geschlagen worden wäre, die aber sicher noch am ehesten dem alten Rollenbild der Frau, die zu Hause ist, den Haushalt und den Garten schupft, sich um die Kinder kümmert, wo ihr natürlich in den Jahren, in denen mein Opa im 2. Weltkrieg einrücken musste und für den Rest seiner Tage traumatisiert wieder zurückgekommen war, nicht viel anderes übrig geblieben ist, als zu kochen, flicken, nähen und zu backen wie im Himmel.

Dann der schon mal lautstark auf den Tisch hauende und frühmorgens um sich brüllende Vater meines Vaters, der despote Bauer mit Knechten, Mägden und vier Söhnen, von denen einer eben mein Papa war, der immer darunter gelitten hatte, nicht den Hof überschrieben bekommen zu haben. Auch keinen Grund oder Boden wie alle anderen seiner Brüder. Wo sich der väterliche support darin erschöpfte, ihm eine Ausbildung zum landwirtschaftlichen Versuchstechniker und Agrarbiologen zu ermöglichen und basta. Aber: auch wenn bellende Hunde bekanntlich nicht beissen sollen, hatte ich manchmal höllische Angst vor diesem ganzen viel zu lauten und donnernden patriarchalischen Macho Theater. Und die Mutter, zu der wir auch alle „Mutter“sagten, eine sanfte, ruhige, liebevolle und sicher etwas schüchterne , oder soll ich sagen, eingeschüchterte Frau, die mir immer meinen violetten Lieblingssterz, den Haidensterz aus Buchweizen mit ein paar frischen Grammeln und einen Getreide Häferlkaffee gemacht hat. Eine wahre Kräuter Expertin und eigentlich eine, immer nach Leinöl duftende Bäuerin und Naturheilerin. Wo ich allerdings nicht weiss und keine Ahnung habe, wie diese meine beiden Grosseltern, „Vater“ und „Mutter“ ihre, in ihren Rollenverteilungen sicher auch noch sehr traditionelle Beziehung gemeinsam zu gestalten wussten, zumal ich sie kaum je gemeinsam erleben durfte.

Und dann kam die Generation meines Vaters, Kriegsende und Nachkriegsgeneration. Aufbau, Wirtschaftswachstum, Forschung. Zuerst die Hippie- und dann die mächtige, für die Männer vieles bis alles verändernde Emanzipationsbewegung der Frauen in ihrem Bemühen, sich aus ihren inneren und äusseren Abhängigkeiten zu befreien und in ihrem vollkommen verständlichen Streben nach Gleichberechtigung, welches bis heute, 50 – 60 Jahre später, noch immer nicht ganz auf Augenhöhe gelöst und in keinem Selbstverständnis akzeptiert werden konnte. In Island, ja, aber hier, im erzkatholischen Österreich sind wir in grossen Teilen heute noch weiter davon entfernt als wir das vor ein paar Jahren schon einmal wesentlich besser waren.

Da tappte mein Vater mit seinem Männlichkeitsbild sicher oft bis meistens bis zu seinem Lebensende vollkommen auf sich gestellt und auch irgendwie von der Gesellschaft in diesem Prozess allein gelassen, im Dunklen. Das brachte den sonst eigentlich sehr sanftmütigen Mann schon auch mal zur Verzweiflung, was zusammen mit einem ähnlichen, nur anders angelegten Prozess seitens meiner Mutter sehr oft in heftigen Streitereien unter den beiden eskalierte, durch die Erwartungen der Gesellschaft zum einen, die gegenseitigen Erwartungen und Herausforderungen und auf der steten Suche nach den eigenen männlichen und weiblichen Identitäten, mit denen man , zumindest für kurze Zeit, in Frieden sein konnte, und mir oft , nicht immer, kein wirklich emotional stabiles Dach über meiner Bubenseele anzubieten hatte. Als Einzelkind noch dazu, Gott, habe ich das gehasst. Da wird man leicht einmal, ob man will oder nicht, zum Einzelkämpfer und zum lonely Wolf. Und zum Waldkind, mit dem Hund als besten Freund, der mir meinen seelischen Arsch gerettet hat – der Wald, und meinen Kindheitsfreunden, mit denen ich bis heute freundschaftlich verbunden bin, die mich als Einzelkind definitiv sozial gerettet haben.

Da war ich dann, auch allein gelassen im täglichen Kampf der Geschlechter, was ich so von allen meinen Grosseltern nicht wirklich kannte. Die Beziehung als Kampf, ein ewiges „Ziehen“ , ein Kräfte und Energie raubender Kraftakt für beide Seiten, Schuld und Sühne, vorwerfen, verteidigen, ent – schuldigen – a nightmare. Was dann schlussendlich in Folge irgendwann auch zur Scheidung meiner Eltern geführt hatte oder führen musste und nicht wirklich ein nachahmenswertes Beziehungsmodell darstellte.

Und da war es dann irgendwann plötzlich voll in meinem Bewusstsein gelandet: Die vor sich gehenden und unvermeidbaren Transformationen beider, der Frauen – und Männerbilder, beider Bilder, was ohne die eine und ohne den anderen nicht wirklich gut gehen konnte. Manchmal gelungen, viel öfter , bis heute, wie man sehen und unschwer erkennen kann, nach wie vor misslungen und teilweise vollkommen missglückt. Den Blow, den heftigsten Brocken, die Krot sozusagen, der tiefe Fall aus den Höhen des Patriarchats, musste auf jeden Fall die Generation meines Vaters schlucken. Den hat die Wucht des Pendels der ausgleichenden Waage voll erwischt.

Meine Generation war da noch mit den Ausläufern des unsanften Aufschlags am Boden der Realtät zugleich aber schon in wesentlich ruhigeren, aber keineswegs weniger herausfordernden Beziehungs – Gewässern unterwegs, weil sich die gesellschaftlich geforderten und somit optimalen Männer- und Frauenwunschbilder auf beiden Seiten fast stündlich zu ändern schienen. Und schliesslich die Generation meines Schwiegersohnes und noch mehr die meines Sohnes. Diese scheint da schon längst unseren ehemaligen kratzbürstigen Raupenpanzern in einer fast vollkommen selbstverständlichen Transformation und einem gleichzeitigen Entwachsen aus all diesen vormals mehr oder weniger klar zu definierenden Rollenbildern endgültig entschlüpft und flattern uns da schon weit davon.

Der gesellschaftliche Druck auf beide Geschlechter war inzwischen ja enorm gestiegen und blieb nirgendwo ohne Folgen. Auch bei mir nicht. In den meisten meiner Partnerschaften bin ich kläglich gescheitert, mit zwei wunderbaren Kindern aus verschiedenen Partnerschaften, einer Tochter, die ich schon über Jahrzehnte schmerzlichst vermisst aber nie verloren glaubte, mit einem Stiefvater, der mir in der ersten Minute unseres gegenseitigen , „wir werden uns schon noch Kennen Lernen“ eröffnete: „Ein Kind braucht nur einen Vater, und der bin jetzt ich“ Selbsterklärend , was dieses Männerbild betrifft, unverständlich dass das nicht nur eine Drohung sondern seine eigenermächtigte Fest Stellung war. Ja, auch Töchter können als Besitz empfunden werden, auch wenn sie nicht die eigenen sind, nicht nur Partnerinnen oder Ehefrauen.

….und einem Sohnemann, mit dem ich seit Jahren in einer Männer WG lebe und wohne, bis es einem von uns oder uns beiden irgendwann zu blöd geworden sein wird, mit einer wirklich schönen, gesunden Verbundenheit auf Augenhöhe mit seiner, seit vielen Jahren von mir getrennt lebenden Mutter. Das ist „Gold“ wert, in Zeiten wie diesen, für alle Beteiligten. Aber das verlangte von uns beiden, nicht in unseren Persönlichkeiten und Egos stecken zu bleiben, sondern aus all dem rauszuwachsen und weiter zu gehen, tiefer zu gehen und sich und dem anderen Verletzlichkeit, Hilflosigkeit, Traurigkeit und die eigene Schwäche einzugestehen, sie anzunehmen, zu umarmen und darin erst wahre Stärke erfahren zu lernen. Die griechischen Götter durften auch schon mal weinen, den Indianern wurde es von Karl May verboten, aber wir Männer, wir dürfen das heute wieder, und können darin, in unserer eigenen Zerbrechlichkeit, erst unsere ganz besondere Stärke entdecken. Das ist mutige Wahrhaftigkeit und das braucht Mensch mehr als alles andere.

Das Wichtigste, in allen Beziehungen, ist allerdings „Reden“. Immer. Über alles, auch wenn es noch so schwer fällt. Und zwar nicht als Vor – wurf. Oder der anderen oder dem andern sagen, was er sie denkt, tun soll, wissen müsste, zu handeln und zu riechen hat, sondern „über sich selbst sprechen“. Was einen bewegt, verunsichert, hilflos macht, mit Freude erfüllt, Angst macht. Nicht der oder dem anderen um jeden Preis „gefallen wollen“ und sich damit verbiegen, sondern unter allen Umständen immer bei sich und sich treu bleiben. Sich miteinander bemühen, eine gelungene, respektvolle Partnerschaft auf Augenhöhe zu gestalten und zu leben, in der jede und jeder gleich wichtig, gleich wertvoll ist, und in der aber auch jede und jeder Zeit und Raum für sich hat, ohne sich rechtfertigen oder erklären zu müssen. Und der und dem anderen immer die Chance geben , das eigene Gesicht und besonders die Würde wahren zu können. Essentiell!

Dafür sollten wir Gesprächsrunden ermöglichen, Seminare gestalten und anbieten, bei den Kindern schon beginnen, ein anderes Bewusstsein zu ermöglichen, Schwäche und Stärke nicht mit Feigling und Machtrausch zu verwechseln und eben nicht erst bei den letzten Hilfeschreien, beim Opferschutz zu denken, zu handeln und zu diskutieren begonnen. Gibt es mal Opfer, die natürlich unter allen Umständen geschützt werden müssen, ist es meistens schon zu spät, und jene Männer und Frauen, die diese Hilfe dann am meisten bräuchten, sind sehr wahrscheinlich dann genau jene, die diese dann nicht in Anspruch nehmen werden, weil man eben schon viel, viel früher ansetzen muss. Wie man etwa als Mann Söhnen vorleben können sollte, ihre Mutter zu respektieren und ihr liebevoll und wertschätzend zu begegnen. Etwas, was man umgekehrt durchaus auch vielen Frauen ans Herz legen kann. Gemeinsam sollten wir uns helfen, wenn möglich würdevoll und wahrhaftig miteinander zu wachsen, uns Raum zu geben und zu schenken.

Dieser Innenminister, dieser Kanzler und diese gesamte türkise Regierungsmannschaft, soviel steht jedenfalls fest, wird uns aus einem unglücklichen, hilflosen und gewaltbereiten Männerbild genau so wenig erlösen wie diese Frauenministerin auch nur annähernd in der Lage sein wird, den Frauen wirklich zu helfen. Da häufen und türmen sich Männerbilder und Frauenbilder von vorvorgestern, und da wird in riesigen Schritten ausschliesslich zurückgerudert als nach vorne gelebt und gestaltet. Mit Telefonnummern alleine wird sich dieses Dilemma nicht lösen lassen, da muss man wesentlich tiefer gehen und wesentlich kompetenter und vor allem, viel früher ansetzen und hinschauen, alles Dinge, derer Politiker von heute schlicht und einfach nicht fähig sind.

Also von dieser Seite brauchen wir uns wirklich keine grundlegenden Hilfestellungen erwarten, sowohl auf Frauen- als auch auf Männerseite. Die einen sind bereits jenseits all dieses Geschlechterkampfschwachsinns davon geflattert und wissen zum Teil gar nicht mehr , wovon wir da überhaupt reden, und ein anderer, nicht unwesentlicher Teil scheint mehr und mehr und rasanter als je zuvor wieder in alte Muster und in altes Unglück zurück zu verfallen.

Wobei mir scheint, dass man heute Partner eher zu konsumieren als gelungene Partnerschaften zu leben, zu ermöglichen und zu gestalten bereit ist. Neue Nase, neuer Arsch, neues Kleid, neue Titten, neues Auto, neuer Bullshit Job, neue Brille, neuer Fitnesscenter, neuer Mann, neue Frau – und die und der und das alte wird dann weder wertgeschätzt noch als gleichwertige menschliche Existenz im Sinne unserer Wegwerfgesellschaft entwertet und oft verächtlich bis verantwortungslos „entsorgt“. Die oder der nächst beste wartet ja oft schon. Same shit, same story, gleiches Schicksal, und täglich grüsst das Murmeltier. Das erklärt unter anderem auch, warum inzwischen immer mehr Menschen sich entschliessen, alleine zu leben und viele von denen oft hoffnungslos vereinsamen oder sozial verwahrlost ihrem Ende entgegen fristen.

Irgendwie gruselig und warum auch immer erinnert mich das Ganze an eine Erzählung eines Telefonshop Betreibers Mitte der 90iger Jahre in meiner alten Neighbourhood an der Lower Eastside in Manhattan. Dieser meinte, dass viele Kids, die oft schon mit 11 oder 12 bewaffnet und in Gangs unterwegs sind, sich oft total wundern, dass, aus einer Videospielwelt kommend, angeschossen werden tatsächlich höllisch weh tut und man danach wirklich böse blutet, manchmal dies einen über Monate lahmlegt und manchmal eben auch das Leben kosten kann. Sind wir inzwischen wirklich schon von unserem „einfach Mensch sein dürfen“ und von der Fähigkeit, irgend so etwas wie Empathie und Mitgefühl entwickeln zu können, so abgrundtief und weiter als je zuvor entfernt?

Veröffentlicht von

pimpmyband11

Alexander A. Deutsch UMAN United Music Angels Network moerdermusic productions & international artist & project development music . consulting . uncoaching, production . lectures . kick ass drums https://pimpmyband.live www.cafedrechslerband.com www.facebook.com/alexander.a.deutsch https://eiblinskidrums.com/2018/07/19/im-gespraech-mit-alex-deutsch we are the seeds of awakening in a sleeping world So, Don't Sleep!!!

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