Jede und jeder von uns hat diese oder ähnliche Ansagen doch schon X-mal gehört, oder? „Du willst doch nicht so oder so, als dies oder das rüberkommen oder du willst doch sicher nicht, dass Du als dies oder das rüberkommst, oder?“ Menschen, die sich darüber ernsthaft Gedanken machen, dazu alle möglichen bis vollkommen unmöglichen Strategien auf Lager haben oder bis hin zu den immer beliebteren NLP Seminaren und ähnlichem entwicklen, nennt man in der heutigen Konsum- und Manipulationsgesellschaft, wo die Oberfläche alles und jedes zu bestimmen und Tiefe zu einem Fremdwort verkommen scheint: „reflektiert“. Was aber kann das denn eigentlich wirklich alles bedeuten und/oder damit meinen, und vor allem: Was bitte soll das denn heissen?

Wo, oder wer oder was ist denn „drüben, von wo man angeblich „rüberkommen“ muss oder sollte und wo ist denn das finale, gut ausgesuchte und perfekt ins Visier genommene Ziel, der Aufprall, der Eindruck und Einschlag, den dieses „rüberkommen“ angeblich zu bestimmen, zu verorten, zu erzeugen , vorzutäuschen oder zu manipulieren weiss? „rüberkommen“, was für ein grausliches Wort das eigentlich ist, rein psychologisch als auch philosophisch betrachtet, meine ich. Aus irgendeinem Grund bin ich da mit meinen persönlichen Assoziationen immer gleich ganz nah an „da kommt mir augenblicklich das Kotzen“ und das intuitive Monster in mir nickt da jedes mal äusserst vehement mit voller Überein- und Zustimmung.

Ja , ich fürchte, dass diese gesamte Herangehensweise , etwas vorzugeben oder vorzutäuschen oder jemandem weis machen zu wollen oder perfekt inszeniert verklickern zu können in der Tat sehr leicht in der Lage sein kann, dass einem in genau diesem „super reflektierten“ Kontext das Kotzen kommen will, ob man mag oder nicht, zumindest, solange die grundsätzlich menschlichen sowie empathischen Kanäle noch einigermassen einwandfrei in Takt sein sollten, was heutzutage ja alles andere as eine Selbstverständlichkeit ist.

Die sozialen Netzwerke haben inzwischen ja schon lange den Akt der Selbstdarstellung und des penibel ausgeklügelten Rüberkommens längst bis ins Detail und in die Gefilde des oft wirklich schon Perversen und vollkommen Absurden und aus jedem Zusammenhang gerissenen perfektioniert, bis zu einem Grad der „Ver- und Einstellung“, „Filtern“, „Bearbeitung“, „Entstellung“ und Retouche, dass man sich im Zuge dessen ja sehr leicht durchaus kaum selbst wieder zu erkennen in der Lage sein mag.

Wie möchte ich „rüberkommen“, wie „reflektiert“ und vor allem, „raffiniert“ bin ich, meinen tatsächlichen Gemütszustand, meine Mimik und Gestik sowie meine Körpersprache einschliesslich meines Tonfalls und meiner Wortwahl dermassen bewusst zu verändern, zu bearbeiten, um mir in einer gewissen Weise, je nach Belieben quasi, so oder so Ausdruck verleihen und mich perfekt gepimpt darstellen zu können, damit bei dem Gegenüber möglichst dieser oder jener Eindruck entstehen möge. Wie grauslich das Ganze eigentlich wirklich ist, wird einem spätestens in Anbetracht des oft völlig aus dem Zusammenhang gerissenen NLP Gefuchtels diverser Politikerinnen und Politiker bewusst, wo das Gefuchtel oft die darunter liegende, nicht minder manipulierte Inszenierung noch weit in den Schatten zu stellen vermag.

Nur WAS von mir wird denn da verändert oder adaptiert, manipuliert und dann gebündelt, gezielt auf mein Gegenüber losgelassen, abgefeuert und projiziert – die Antwort ist so glasklar wie einfach: das weit über eine gesunde Proportion hinausgehend aufgeblasene EGO – mind sowie mein permanent im Innen und Aussen quasselnder, analysierender, evaluierender, alles und jeden, einschliesslich einem selbst, be- und verurteilender, rast- und ruheloser, vermeintlich alles wissender, allein regierender Verstand. Wo wir doch seit tausenden von Jahren perfekt insoweit konditioniert wurden und offensichtlich nach wie vor zu lernen bereit sind, dass wir ausschliesslich sind, was wir denken, und dass dies alles und die Quintessenz dessen und zugleich das absolute Gault Milaut Häubchen der menschlichen Existenz in Form ihres immer noch massloser überbewerteten Verstandes sei.

Es regiert, da wie dort, die Kultur der Lüge, die in Zeiten wie diesen Hochkonjunktur hat. Um nichts anderes handelt es sich hier, mit der Wahrhaftigkeit als Ihrem dualen Sparingpartner im Ring und im Ringen um den besseren Eindruck, den grösseren Vorteil, die besseren Argumente oder Startbedingungen, die höhere Überzeugungs- und Überredungskraft, Verhandlungsgeschick, die Macht über das Gegenüber, zumindest die Kontrolle über den Gesprächsverlauf, um meine Punkte unter zu Hilfenahme aller mir zur Verfügung stehenden Mittel so optimal und optimiert und eindrucksvoll wie möglich unter – und rüberzubringen. Und es geht um Trennung, um das Errichten einer Hürde, eines Hindernisses, eines gedanklichen Zaunes, eines Grabens, über den du erst mal zu mir gut „rüberkommen“ musst und wo ich in jeder Situation und jederzeit genau zu wissen glaube, wie ich da zu dir als wer oder was frei nach Belieben rüberzukommen imstande bin. grauslich eben.

Zum einen scheinen wir seit Menschengedenken hoffnungslos mit der Entwicklung, Erziehung, Pimpung, dem Coaching und dem Behüten unserer ach so wichtigen Persönlichkeiten, besonderen und besonders charakteristischen Eigenschaften (dazu gab es schon mal einen grandiosen Roman von Robert Musil „der Mann ohne Eigenschaften“ – grenzgenial und sehr empfehlenswert), Vorlieben und Biographien, zum anderen mit der Anhäufung von Zeugnissen, Diplomen, Ehrenabzeichen, Orden und Preisen stecken geblieben zu sein und glauben tatsächlich nach wie vor, dass diese Sammlung an Konditionierungen, und zumeist schwer bis mühsam angeeigneten Konzepten, Zeugs, Eigentum, Kohle und Stuff tatsächlich das ist, was wir immer noch fälschlcherweise mit stolzer Brust oder leisem Jammern, je nach dem , unser Leben nennen. Aber wie Peter Ustinov schon einmal grossartig festgestellt hat: Der Sinn des Lebens ist sicher nicht der reichste Mann am Friedhof zu sein“.
Für meinen bescheidenen Teil reise ich da seit einer gefühlten Ewigkeit wesentlich freier, befreiter, unbeschwerter und unbekümmerter mit wesentlich leichterem Gepäck, mit grösstmöglicher Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit im Rucksack, dem Mut, einfach immer und überall zu dem zu stehen, was in meiner Wahrnehmung Sache „ist“ und der ich einen Stock unter oder über oder hinter meinem Gedankengewitter bin und immer war und immer sein werde: einem glasklaren, wahrhaftigen und eben nicht perfekten, tief menschlichen „Sein“, das oft und immer öfter möglichst ohne jeden Schein aus- aber eben nicht rüber-, sondern geradeaus zu Dir, von Auge zu Auge direkt in Dein Herz zu kommen imstande ist und genau das weisst und spürst du und berührt uns auch im selben Augenblick.

Die Wahrheit ist dem Menschen nicht nur zumutbar, sie ist auch immer sehr befreiend, erhellend und zugleich erlösend. Ich habe es in der ferneren Vergangenheit des öfteren mit diversen Lügen und den damit einhergehenden Gebäuden versucht und bin immer kläglich damit gescheitert, weil mir dieses Realitäten rumjonglieren, immer am Schirm haben zu müssen, was ich wann wie zu wem gesagt oder behauptet habe, jedes mal viel zu anstrengend und mühsam geworden war. Beides probiert. Kein Vergleich, oder besser gesagt: der Vergleich macht mich meiner und deiner und unseres mit – einander sicher 😉