Beziehung – dieses Un – Wort alleine verdient den Titel des beschissensten Wortes des Jahrhunderts. Kommt auf dem Fusse gleich nach Er – Ziehung. In etwa ein ähnlich bescheuertes Wort – und doch spiegeln beide Wörter doch recht vortrefflich, worum es in vielen Beziehungen und viel zu oft auch in der Erziehung, egal ob autoritär oder antiautoritär, nachgiebig oder konsequent, anspruchslos oder fordernd, skeptisch oder optimistisch, aggressiv oder freundlich, abweisend oder responsiv, selbstbezogen oder empathisch, in erster Linie zu gehen scheint – um ein mehr oder weniger konstantes, konsequentes, unter zu Hilfenahme verschiedenster lauterer und unlauterer, fairer und unfairer Hilfsmittel vor sich gehendes Ziehen.

Aus und in verschiedenste Richtungen, nach unten oder oben, nach hinten oder nach vorne, in den Dreck, unter oder an die Decke, über den Tisch, an den Haaren herbei, weit überzogen, hin – und hergerissen, mehr oder weniger verzogen oder schlecht erzogen – ja – es wird akribisch und leidenschaftlich gezogen was das Zeug hält, oder eben nicht – leider, leider.

Da fand ich das englische Wort „Relationship“ immer schon um Hochhäuser sympathischer, treffender und wesentlich gelungener. Sinngemäss: in Bezug, nicht Beziehung, auf ein Schiff. Bezüglich eines Schiffes oder so ähnlich versteh ich das zumindest. Alleine das Bild, miteinander in einem Schiff mit dem Fluss oder über den Ozean des Lebens zu steuern, fand ich schon immer wirklich richtig toll und inspirierend, auch wenn es gut möglich nur eine romantische Interpretation meinerseits sein mag. In Wahrheit, in echt , sollte vermutlich das wirklich einzige Schiff, auf das man Bezug nehmen sollte und welches es durch das Leben zu segeln gilt, das jeweils eigene sein, ob uns das jetzt passt, genehm ist oder nicht.

Worum geht es da bei dieser ganzen mühsamen Zieherei eigentlich? Nun, grundsätzlich werden mal Partner und Kinder zu Objekten degradiert, die jeweils nach dem Gutdünken des Ziehers oder der Zieherin so oder so zu sein haben, damit man meint, sie lieben zu können. Also von „bedingungslos“ weit und breit keine Spur. Der Grossteil dieses Irrsinns ist zum einen sicher oft Jahrhunderte alten oder Familieninternen Konditionierungen geschuldet, man hat es halt nicht anders gelernt. In den Schulen findet ja nach wie vor das selbe Modell breite Anwendung.
Zum anderen glaubt man anscheinend durch erzwungene , manipulierte oder erstrittene Verhaltensänderungen des Partners eigene Defizite, die meistens als solche weder wahrgenommen noch bewusst so erlebt werden, wettmachen zu können oder müssen und wundert sich dann in vielen Beziehungen, dass der jeweilige Partner sich so sehr verändert hat und ja gar nicht mehr die oder der ist, in die man sich ursprünglich glaubt verliebt zu haben. Es braucht dabei immer eine Seite, die glaubt aufgrund eigener Konditionierungen oder Unsicherheiten da um jeden Preis mitspielen zu müssen, als hätte man es nicht anders verdient oder man folgt einem Kindheitsmuster in den Beziehungen zu Mama oder Papa.

Ein Oberwarter Hausmeister meinte einmal: zuerst hatte ich meine Frau zum Fressen gern, und heute tut es mir leid, dass ich sie nicht gefressen hab.
Derartige, oft durchaus kranke Verhaltensmuster haben einen enormen Magnetismus, suchen sich oft todsicher das entsprechende Gegenüber und da wird dann leider sehr oft verwechselt, was einen anzieht mit dem, was einem eigentlich gut tut. In jedem Fall , und so wollen es diese unser aller Leben, haben wir alle in jeder Ziehung unserer persönlichen Beziehungs Lotto Sechser die Chance unseren eigenen Konditionierungen und Verhaltensmustern, unseren Ängsten und unseren Egos auf die Schliche zu kommen. Und das kann gut gehen, solange wir nicht unsere Offenbarungen und Erkenntnisse, wie es uns dabei geht, einzig und alleine dem jeweiligen Partner vor die Füsse schmeissen. Das hilft dann Beiden herzlich wenig bis nichts. Darüber freuen sich dann nur eine Vielzahl von Paartherapeuten, Psychologen und Psychiatern und anderen Seelen Klempnern.

Es gibt natürlich die verschiedensten Arten von Beziehungen, wo immer und überall genug und zumeist auch ausreichend Zug- und Ziehraum vorhanden ist:
1. Nichtliebe (keine Intimität, keine Leidenschaft, keine Verpflichtung) Die Leere gähnt, nichts zu geben, nichts zu erwarten.
2. Freundschaftliche Beziehung (Intimität, keine Leidenschaft, keine Verpflichtung) Weder der Wunsch das Bett zu teilen, noch das ganze Leben.
3. Verknallte Beziehung (Leidenschaft, keine Intimität, keine Verpflichtung) Dieser Form der Beziehung fehlt es an Substanz. Vielleicht kommt die aber noch, denn sehr viele feste Beziehungen starten ja so.
4. Leere Beziehung (Verpflichtung, keine Intimität, keine Leidenschaft) Sich auseinanderleben oder auseinanderlieben. Alles gestorben, bis auf den äußeren Rahmen, die Gewohnheiten.
5. Romantische Beziehung (Intimität und Leidenschaft, keine Verpflichtung) Voneinander angezogen sein, miteinander ausgezogen sein, einander nah sein, füreinander da sein. Bloß ohne jedes Versprechen.
6. Kameradschaftliche Beziehung (Intimität und Verpflichtung, keine Leidenschaft) Auch wenn es dieser Form vielleicht an etwas “fehlt” (falls die Leidenschaft vermisst wird), kann so eine Beziehung sehr befriedigend sein und glücklich durchs Leben tragen.
7. Illusorische Beziehung (Leidenschaft und Verpflichtung, keine Intimität) Ich muss da an zwei Karnickel denken, die sich den ganzen Tag rammeln, aber in den kurzen Pausen dazwischen das Weite suchen.
8. Vollkommene Beziehung (Intimität, Leidenschaft und Verpflichtung) Das Ideal, ohne das alles immerzu ideal laufen muss. Das wonach wir alle suchen, schätze ich. Mehr Tiefe als das tiefste Meer. Auch noch nach 20 Jahren guten Sex. Ein Leben ohne den anderen: unvorstellbar. Diese Form der Beziehung ist nicht leicht zu finden und noch weniger leicht zu behalten. Dafür brauchen wir Achtsamkeit, regelmäßigen Ausdruck der Liebe und Wertschätzung, den Willen zu unbequemen Gesprächen (“ich liebe Dich, aber zurzeit fehlt mir …”) und Verzeihen.
Ist also sowohl Geschenk wie Arbeit. Und sie hat auch deshalb einen Preis, weil wir eine Form der Freiheit für sie aufgeben. Etwas, was uns heute schwer zu fallen scheint, wo wir doch angeblich alles auf einmal haben können und auf alles ein Recht haben. ( mymonk.de )

Im Konsum – und Informationszeitalter werden natürlich besonders auch Beziehungen, Partnerinnen und Partner „konsumiert“, und, wenn es einem reicht, man es satt hat, wird der oder die „aktuelle“ entsorgt, weil man sich dann keine Sorgen mehr machen muss um nichts, und es kommt der oder die Nächste bitte. Und noch eine, und wieder einer, nun noch eine, und wieder einer. Unter diversen adoleszenten Jünglingen und jungen Frauen gibt es da schon mal Wettbewerbe und Strichlisten, wer wie viele innerhalb welchen Zeitraumes und so weiter – widerwärtig eigentlich, wie vieles anderes in der flachsten und zugleich grellsten und lautesten Oberfläche der Konsumwelt auch. Von irgendeiner Form von „Ent – wicklung“ kann man in diesem speziellen Kontext wohl kaum sprechen. Da schreien lediglich die diversen Egomonster und die allgemein Verunsicherten um einen nur scheinbar wertvollen Schein einer schon lange pandemischen , gesellschaftlichen Selbstunsicherheit.

Bedingungslose Liebe – damit fängt heute ja kaum eine oder einer mehr was an, oder? Überhaupt „Liebe“, nicht verliebt sein, als gesunde Basis für eine wahrhaftige Beziehung. für gelungene Partnerschaft scheint mir eher Schnee von vorgestern zu sein. Besonders, weil Liebe ja ein derartig abgedroschener, meist missverstandener Begriff geworden scheint, wo kaum zwei das ein und selbe darunter verstehen. Für mich hat das weniger mit körperlichen und emotionalen Zugängen zu tun, sondern eine Begegnung und Partnerschaft auf Augen-, Herzens- und vor allem: Seelenhöhe zu tun.
Das Gegenüber als mein zeitweise liebevoller, geliebter, begehrter und beizeiten verhasster Lieblingsspiegel, der mich dazu bringt, mir meinen eigenen Kram genauer anzuschauen, in mich zu gehen, zu mir zu finden, in die Tiefe zu Tauchen, nicht nur in die Tiefen der Psyche, sondern auch die Tiefe der Herzen und besonders den Meeresgrund unserer Seelen, die wir nun mal sind, auch wenn das die meisten entweder schon lange vergessen haben oder sich noch nie dessen wirklich bewusst geworden sind.

Wo nicht die oder der andere an dieser oder jener meiner augenblicklichen Befindlichkeit gleich mal automatisch „schuld“ sein muss, sondern wo wir die Chance eines Lebens haben, unsere eigenen zu heilenden Wunden, die oft missverstandenen Interpretationen, diverse Konditionierungen, diese entweder selbst gelernten oder über Generationen oder Jahrtausende mitgeschleppten Verhaltensmuster zu erkennen, ohne es dem gegenüber bei jeder sich bietenden Gelegenheit „vor zu werfen“, sondern es mal „an – zu -nehmen“ und „an – zu -sehen“, zu verstehen und erkennen versuchen, es nicht verdrängen, und das in eben einer liebevollen, verständnisvollen Seelen- und Herzensenergie die überhaupt erst Heilung möglich machen kann.
Auch wenn man diesen Spiegel manchmal auf den Boden knallen oder durch den Kamin schiessen möchte, was er oder sie mir zeigt, ist, was mit mir eigentlich in Wahrheit los ist, wo meine Baustellen sind, aber auch wo meine roten Linien in Sachen Würde, Selbstwert und Toleranz zu gefunden werden wollen.

Ich liebe den Begriff „Bestimmung“ – was für mich so etwas unglaublich Kostbares weil Einzigartiges ist. Es ist für mich, was das Leben mit mir vorhat bzw. was es von mir will und eben nicht umgekehrt. Nicht was ich mir einbilde wollen zu müssen, zu brauchen und haben zu wollen, nein, das nicht. Sondern dass ich in diesem riesengrossen Puzzle des Lebens meinen für mich vorgesehenen Platz als vollkommen einzigartig geformter Puzzlestein finde und mich dort einordne, damit ich mich und das Ganze Bild sich entfalten und Sein darf.

Und jede und jeder Verfechter des sogenannten „freien Willens“ schreit da gleich mal lauthals auf: Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung, Eigenermächtigung und, und, und – und die zahllosen Seminare, Coachings, Konzepte dazu natürlich auch sofort an der Hand und im zu konsumierenden Schlepptau 😉 Ich wünsche wirklich jeder und jedem von Herzen, dass sie oder er finden möge, wovon sie gesucht werden. Finde was dich sucht! Die Geschenke , die das Ego und der „freie Wille“ glaubt haben zu müssen, tragen oft nicht unsere Namensschilder und sind zumeist für jemand anderen „bestimmt“. Der freie Wille inkludiert unter anderem die Freiheit, sich seiner Bestimmung hinzugeben, wie ich am Rauchen aufgehört zu haben am meisten diese Freiheit liebe, nicht mehr rauchen „zu müssen“. Die Freiheit zu rauchen war jahrelang ein Kerker für mich und hatte mit Freiheit überhaupt nichts zu tun.

Und diese Beziehungen gibt es wahrhaftig und wirklich auch: wo zwei Seelen wissen, dass Sie füreinander bestimmt sind. Nicht der Verstand weiss das, er kann es auch nicht begründen, sosehr er sich auch darum bemühen mag und er kann auch keine wirklichen Gründe dagegen anführen, sosehr er sich auch anstrengen mag, und sei es nur des schnöden Egofutters namens heisser Luft willen. Diese Gewissheit wohnt in den Herzen und Seelen und sonst nirgendwo.
„Frei-Sein heisst nicht einfach Ungebunden- und Unverbindlich-Sein. Frei machen nicht Entbindungen und Entbettungen, sondern Einbindungen und Einbettungen. Die totale Beziehungslosigkeit wirkt beängstigend und beunruhigend. Die indogermanische Wurzel fri, worauf Wendungen wie frei, Friede und Freund zurückgehen, bedeutet »lieben«. So bedeutet »frei« ursprünglich »zu den Freunden oder Liebenden gehörend«. Man fühlt sich frei gerade in der Beziehung von Liebe und Freundschaft. Nicht Bindungslosigkeit, sondern Bindung macht frei. Die Freiheit ist ein Beziehungswort par excellence. Ohne Halt gibt es auch keine Freiheit. Die Freiheit ist ein Synonym für die gelingende Gemeinschaft.“
BYUNG-CHUL HAN