#161 was ist da los? „das“ ist los, wenn ihr es genau wissen wollt

Ja ja, ich weiss: Ich dachte, ich hätte wirklich längst schon alles gesagt, was ich so grundsätzlich zu sagen hätte. Aber dem ist nun offensichtlich doch nicht so. So ist das eben mit dem „Denken“ und so ist das auch mit dem „Leben“. Es ist wie es ist. Vor allem mit dem Leben als Künstlerin und Künstler in diesen ungewissen Zeiten, in einer sogenannten Kulturnation, in diesen Tagen des Umbruchs. Dieser kann an jeder Strassenecke bereits an seinem herben Duft der Veränderung ganz klar und mehr als deutlich wahr genommen werden. Oder sagen wir in diesem Fall doch besser: könnte wahrgenommen werden.

der Duft der Veränderung

Obwohl der Konjunktiv mit Sicherheit nicht unser Freund ist , sage ich dieses mal dennoch ganz bewusst „könnte“, weil ich mich in diesen Tagen in einer Stadt wie Wien, immer öfter einer rasant wachsenden Vielzahl mir immer unbewusster scheinender Menschen mehr oder weniger rat- und hilflos gegenübersehe. Manche von Ihnen vollkommen von ihrem Aussen als auch ihrem Innen hermetisch abgeriegelt, von ihrer Lebendigkeit vollkommen getrennt. Leicht zu erkennen am oft starren, leeren, abwesenden Blick, entweder bestöpselt auf die smarten Handies oder ins Leere starrend, vom sie gänzlich vereinnahmenden und scheinbar alles und jede Faser ihres Daseins umhüllenden, neongrellen, flauen Flachbildschirn eines Nichts und Nirgendwo geschluckt, verschlungen und teils vollkommen verloren.

Masken, Blicke, stumme, angstvolle, schreiende, verwirrte, verirrte, verängstigte, im Selbstgespräch, oder im Gespräch mit ihren Liebsten, wer weiss das schon, taub, nicht da, weg, weit weg, auf die Zehen steigen, anrempeln, fluchen geht immer. Eine für mich täglich zunehmend schwerere Übung, all das Wahrgenommene nicht zu verurteilen, irgendwie so davon unberührt wie möglich damit umzugehen, und nicht permanent „meine Güte“ unter meiner Maske hervorzuschnauben.

Familien Aus – Flug

Die Konzert Lotterie ist, wie schon viel zu lange, nach wie vor und immer noch in vollem Gange. Finden sie statt? dürfen sie stattfinden? dürfen sie weiterhin stattfinden? werden sie „so“ stattfinden? mit welchen Konzepten? müssen wir alle geimpft sein, was die meisten Musiker ohnedies schon lange sind? unter welchen Umständen können sie stattfinden? mit welchen Auflagen? vage Zusagen und Hoffnungsschimmer, harte Bandagen und Absagen – alles ist möglich. Alles andere als klare Rahmenbedingungen oder Situationen aus einer scheinbar längst vergessenen Realität und vergangenen Zeiten.

die Konzert Lotterie

Ich habe mich in den letzten 20 Monaten noch nie um derartig viele, gefühlte 500, tatsächlich wahrscheinlich wohl eher 100 verschiedene, vielfältigste Jobs rund um Musik, Professuren, Lehraufträge, Gastprofessuren, Abteilungs- und Schulleiterpositionen, an Universitäten, Konservatorien, Musikschulen im In- und Ausland, von Mannheim über Basel bis nach Salzburg, Nürnberg und München beworben bis hin zu Eventmanagement, Kulturvermittlungs- und Promotionjobs in Museen und ähnlichen Institutionen. Nichts. Lauter Absagen. Nicht eine einzige Enladung zu einem Vorstellungsgespräch. Nada. Das Leben hat wohl anderes mit mir vor…..

Gut. Ich bin ja schliesslich schon 62. Und fit wie nie zuvor in diesem meinem geliebten, spannenden Leben. Ist man da wirklich nicht mehr systemrelevant? Entsorgen wir tatsächlich vollkommen sorg- und verantwortugslos mit den Oldies ihre sämtlichen Skills, ihr Wissen, hre Erfahrung und auch ihre Weisheit, die mit einem gewissen Alter ja einhergehen sollen wie wir bei unseren Kindern in den Schulen als erstes ihre angeborene Neugier und Lernfreude zu killen imstande sind? Potentialvernichtung on every level – zugunsten wovon eigentlich?

altes Eisen, junger Quälgeist

Besonders wo es doch um Bildung, nicht Aus-, Ein- oder Umbildung meine ich, sondern um die Weitergabe von Skills, von Know How, von Erfahrungen, um das Sichtbarmachen von Zusammenhängen, um Begeisterung und Enthusiasmus, um das Öffnen von Scheunentüren in das grenzenlose Umiversum der Kreativität, um Spielfreude, der Freude am Spiel, um das wesentliche Nehmen und Auflösen einer sinnlosen und jeden kreativen Fluss störenden Angst vor dem Fehlermachen und einem bisschen Weisheit gehen könnte??? Interessiert das wirklich Niemanden? ist das wirklich niemandes Anliegen? Zumindest niemanden der aktuellen Entscheidunsträger im derzeit nach wie vor alles beherrschenden Bildungssystem.

Unter den Jungen, Alten, ganz Jungen und ur Alten, den Neugierigen und neugierig Gebliebenen, den wirklich Interessierten, Neuem oder anderem, bis dato Unbekanntem gegenüber Offenen gibt es einen unglaublich riesigen Bedarf, genau danach. Nach geschützten Räumen, um ohne Ängste, jenseits von Bewertungen und Beurteilungen mit Freude und Entdeckergeist ausprobieren, zu erkunden, etwas üben, etwas mit Freude lernen, erlernen, kennen lernen zu dürfen, an neuen und neuartigen Zugängen, Herangehensweisen off the main path, nach neuen, weil bislang unentdeckten, riesigen Fenstern und Türen in innere und äussere Erlebniswelten – Gigantisch.

Erlebniswelten

Nur: was mache aber ich jetzt mit meinen eigenen inneren und äusseren Erlebniswelten in dieser merkwürdigen Zeit, in meinem konkreten Fall, der sich in vielen Punkten sicher nicht so sehr von anderen Realitäten meiner Künstler Kolleginnen und Kollegen unterscheiden wird? Die Bank will ihre Raten und droht mit Kontoauflösung, die Hausverwaltung pocht auf ihre Mieten, der Energieversorger will seine Kohle für Gas und Strom, die Telefon- und Internetanbieter ihre monatlichen Abrechnungen beglichen haben, die SVS, die Hochprämien Zwangsversicherung für Selbstständige und EPUs will ihre stolzen vielteljährlichen Beiträge, der Steuer´verräter will seine Rechnung beglichen haben. Ebenso die Haushaltsversicherung. Und, und, und….

der Härtefall Fonds

Auch nicht mit einem Härtefall Fonds oder anderen etwaigen in Frage kommenden Unterstützungen kommt man da noch sehr viel weiter. Zumindest vor einigen Monaten konnte man sich noch vorstellen, wie sich das mit einem bedingungslosen Grundeinkommen überhaupt so anfühlen könnte. Ein schon lange bestehendes Konzept für arrivierte und wahrhaftige Künstler in Frankreich etwa, und ja, man glaubt es kaum, auch in Kroatien. Da gbt es tatsächlich so etwas wie eine Grundversorgung für Künstlerinnen und Künstler. Da geht einem die Würde als Künstlerin und Künstler nicht ganz so schnell, im Idealfall nie verloren, wie das hier bei uns sehr wohl sehr leicht passieren kann. In unserer mit stolzer Brust und dem Verweis auf den Mozart Wolfi und den Hölzl Hansi behaupteten „Kulturnation“ Österreich. Da gehen die Hilfsprogramme und Beträge rasant zurück, obwohl die Pandemie und die damit zusammenhängenden Bestimungen nach wie vor eine Realität sind. Unterstützungen laufen hierzulande trotzdem aus und ein Ende dieses Privilegs, einmal die Basics finanziert zu bekommen ist leider auch schon lange wieder in Sicht.

dss Wasser bis zum Hals

Stattdessen wirft man hier mit neudeutschen, merkwürdigen und grauslichen Begriffs- wie Untergriffskreationen wie wild um sich: „Kulturschaffende“, „Musikschaffende“, „Kunstschaffende“ und, letztens bei Kultur am Montag im ORF vernommen: „Kulturarbeiterinnen“. Zugleich spricht man von der „Kulturbranche“, also einem wohl profitablen Erwerbszweig für die Kulturarbeiterinnen, wie die „Toursimusbranche“ oder so. Nur – ganz ehrlich: wer fühlt sich angesprochen, wenn jemand sagt: Liebe Kultur- Und Kunstschaffende, Liebe Kulturarbeiterinnen? Manager? Promoter? Verlage? Plattenlabels? Festival Intendanten? Ausstellungs Kuratorinnen? Kulturgemeinderäte? KulturMarketing und Promotion Personal? Buchverkäufer? Antiquitätenhädler? Christus Schnitzer? Bauchredner? Kinobetreiber? Der Putztrupp im Musikverein oder im Konzerthaus? der Portier an der Musikuni? gut möglich – ich mich allerdings sicher nicht. Denn ich bin, wie meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen auch: Künstler.

was das soll

Was tun also? unbedingt etwas das a) Sinn und b) Freude macht. „Kochen“, war meine glorreiche Idee. Kann ich sehr gut, liebe ich seit ich denken kann. Und so fragte ich bei einem meiner Lieblings Bioläden, ob man nicht einen so tollen und coolen Koch wie mich brauchen könnte. Leider Nein, hiess es. aber sie suchen jemanden in Teilzeit für ihre Gemüseabteilung, von 7 in der Früh bis Mittags, täglich, von Montag bis Freitag, ausser Donnerstag. Und genau das mache ich jetzt, inzwischen seit Wochen. Dort könnt ihr mich vormittags finden, Gemüse- und Obstkisten schleppend, die herrliche Bio Ware im wunderschönen Laden präsentierend. Mit Freude und sehr, sehr dankbar. Eine Ode an meine Würde als Mensch. Nicht als Künstler.

Dankbarkeit und Freude

Allein der Duft von frischen Äpfeln und Birnen jeden Morgen, wenn ich mein Rad ins Lager stelle, makes my day, der ich als Kind ja auf einem riesen Bauernhof aufwachsen durfte. Farben, Gerüche, Düfte, Kräuter, Erde, Wasser, Salat, Schnecken. Und ich darf soviel lernen, von allem was mich sowieso wahnsinnig interessiert: welch abenteuerliche und ungeheuerliche Gemüseproduzenten und Bauerngeschichten es gibt, Aussteiger, Quereinsteiger – und all das eingebettet in einem wunderbaren Team, ohne Hierarchien, in respektvollem und wertschätzendem Umgang miteinander, weil eben jede und jeder gleich wichtig ist. In Wahrheit – ein Traum.

ein Traum

Ich fühle mich nicht als Opfer, nein. Ganz im Gegenteil. als Gestalter meines wundervollen Lebens in Zeiten der radikalen Umbrüche, längst fälligen und langfristigen Veränderungen, in vollem Frieden mit meiner kreativen Seele und in grosser Freude darüber, über diesen meinen sicher ungewöhnlichen Weg etwas wirklich sinn- und freudvolles auf dem Weg zum Bezahlen meiner Rechnungen auf Augenhöhe mit meiner Würde und meinen Mitmenschen auf die Reihe gebracht zu haben. Ganz abgesehen von dem einen oder anderen rettenden Engel an meiner Seite, die es Gott sei Dank auch gibt, die ich nicht vergessen will , denn ohne zusätzliche Hilfe geht es manchmal wirklich nicht. Danke, ihr Lieben – ihr wisst wer ihr seid. Andere Künstler Kolleginnen von uns abeiten derzeit in der Gastronomie, am Bau oder in der Buchhaltung beim Steuerberater, fahren Taxi, in Küchen, sind im Catering Business tätig oder wurden gerade zum Lokführer ausgebildet. Viele Künstlerinnen und Künstler kommen gerade wirklich heftig unter die Räder.

Taxi in NYC – Yellow Cabs

Da fällt mir noch eine ebenso bizarre wie wundervolle Geschichte aus meiner Zeit in NYC ein: als ich einmal spät Nachts ein Taxi angehalten hatte, mit meinen Trommeln neben mir am Gehsteig, um von einem Konzert mit dem „Zebra Coast Orchetsra“ mit Gil Goldstein und einigen der besten Musiker des Big Apple damals , bei dem ich, schon damals so absurd wie heute, gerade mal genug für ein Coca Cola und meine Taxifahrten verdient hatte, um vom Sweet Basil im Westvillage zu mir an die Lower East Side nach Hause zu fahren, half mir der sichtlich schon etwas ältere, aber ur nette Fahrer beim Einladen mit meinen paar Trommeln. Als wir beide wieder im Yellow Cab Richtung Avenue C unterwegs waren, wurde mir mit einem Sclag bewusst, wer der Fahrer dieses Taxis war: Paul Motian, einer der genialsten Jazzdrummer ever. Wir hatten ein herzliches, tiefes und würdevolles Gespräch auf Augen- und Seelenhöhe und eine in Wahrheit viel zu kurze, wundervolle gemeinsame Fahrt home.

P.S.: Ab diesem November 2021 gibt es bei uns im St. Josef Naturladen jeden Dienstg am späteren Nachmitteg unsere „Corona Jams“ mit richtig leckeren Snacks, heissen Drinks und echter Live! Musik. EAT – PLAY – LOVE cYa there! euer AleX

Corona Jams

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pimpmyband11

Alexander A. Deutsch UMAN United Music Angels Network moerdermusic productions & international artist & project development music . consulting . uncoaching, production . lectures . kick ass drums https://pimpmyband.live www.cafedrechslerband.com www.facebook.com/alexander.a.deutsch https://eiblinskidrums.com/2018/07/19/im-gespraech-mit-alex-deutsch we are the seeds of awakening in a sleeping world So, Don't Sleep!!!

Ein Gedanke zu “#161 was ist da los? „das“ ist los, wenn ihr es genau wissen wollt”

  1. Alexander – man wird umgekrempelt – in Zeiten wie diesen – viele Menschen machen was Neues – ich will sagen, ich verstehe die Welt nicht mehr, so sagte meine Mutter, wenn sie vor Tatsachen gestellt wurde, die nicht nach ihrem Sinn waren und sie aber mutig Neues akzeptieren musste, sich auf die Beine stellte und teils Unmögliches schaffte . Das mit Dir ist aus Deinem Naturgeist entsprungen – und passiert . alles Beste für Dich – Ma

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