#162 „Coda – Die schamlose Piraterie an der Musik und ihren wahrhaftigen Künstlern“

Was ist denn da eigentlich wirklich los? Ich darf zu Beginn eine wunderbare Reflexion eines hellwachen Geistes und Zeitgenossen namens Zola Jesus zitieren, die den Sargnagel der aktuellen Musikerinnen- und Künstlerschar auf den sprichwörtlichen Tonkopf trifft:

„Es ist völlig offensichtlich, dass Spotify-Milliardär Daniel Ek noch nie Musik oder Kunst jeglicher Art gemacht hat. Er weigert sich zu verstehen, dass es einen Unterschied zwischen Waren und Kunst gibt. Das Potenzial für kulturelles Wachstum wird darunter leiden. Wir leben in einem Zeitalter, das Künstler ermutigt, schneller schwächere Arbeit zu machen. Dieses Maß an Druck und Entpriorisierung der Qualität ist das Gegenteil von großer Arbeit, und in diesem Fall werden wir einen Überschuss an beschissener Musik haben. Ist es wirklich das, was wir wollen? Oder brauchen? Daniel Eks Zukunftsvision besteht darauf, Musiker in Fabrikbots zu verwandeln, die gefrorene Hamburgermusik für niemanden außer dem Algorithmus herausbringen.“

Das erklärt eigentlich schon recht viel, allerdings nicht alles. Aber das ist im Prinzip der wackelige, morsche, Konsum vergiftete Boden auf dem junge und alte, arrivierte und ambitionierte, wahrhaftige Musikerinnen und Künstlerinnen gleichermassen anscheinend heute bravourös balancieren können sollten oder zumindest glauben es irgendwie allen Widrigkeiten zum Trotz schaffen zu müssen. Mit voller Kraft und aller Energie raus aus dem profitgeilen Dreck, aus dem es kaum ein Entkommen zu geben scheint. Ist das so?

Ich möchte versuchen, so etwas wie eine, sicher sehr persönliche Augen- und Ohren öffnende Chronologie der oft verdammt trickreichen Fallen und böse versteckten Eckpunkte sowie still und leise von statten gehenden Realitätsverschiebungen eines Musikerlebens durch die letzten 5 Jahrzehnte, Seite an Seite mit einer Musiker und Künstlerinnen gleichermassen vereinnahmenden Musikindustrie, die ich selbst als schaffender Kreativer aus erster Hand und an vorderster Front miterleben durfte, zu veranschaulichen und erkennbar sowie bewusst zu machen.

back in the dayz…. feels like yesterday and like ages ago at the same time, probably because there simply is no time

Am Anfang steht oft nur eine scheinbar vollkommen harmlose, banale Frage: „Welche Musik machst du eigentlich?“ Eine Frage, die mir den Grossteil meines Musikerlebens, zwar meistens unbewusst, immer extrem auf die Nerven ging, bis mir erst in den Letzten Jahren ein Lichtlein hinter dieser in Wahrheit klassischen Fang Frage aufzugehen begann.

Ich wollte mich einfach schlicht und einfach nie freiwillig in eine weder von mir noch von den Musikerinnen und Künstlern geschaffene Box setzen lassen, Deckel zu und basta. Nicht auch zuletzt deshalb, weil ich jahrelang selbst in einer derartigen Box namens „Jazz“, den ich bis heute liebe, wie Klassik und Funk, Deep House, HipHop, Soul, Singer Songwriter Pop, Tango, echte Volksmusik und drum’n bass auch, gefangen gehalten wurde. Nur weil ich einmal in meinen jungen Jahren auf einer Jazzakadmie versuchte, so gut wie möglich mein Instrument beherrschen zulernen und mit einer zugegeben, relativ grossen Anzahl von teils arrivierten, vornehmlich US amerikanischen Jazz Stars als auch angehender, heimischer rising Jazz Jungspunde damals Alben aufgenommen, mehr oder weniger absurde Wettbewerbe gewonnen und auf vielen Festival- und Club Bühnen ein paar Jahre lang zugegen war. Meine Musik Liebe als Drummer galt allerdings immer bis heute jeder art von erdiger, tief verankerter und so viele Ärsche und Herzen wie möglich bewegender Groove Musik, ich nenne das jetzt einfach mal so.

Das Wolfgang Muthspiel Trio mit Peter Herbert und mir, damals in den late 80ies in Boston, USA
Wir gewannen doch tatsächlich den downbeat Wettbewerb als angeblich beste up- and coming Jazz Combo der USA

Mussten sich Mozart, Bach, afrikanische Trommlerinnen und Medizinmänner, ein Mollner Maultrommler (bin der volle Fan), mongolische Sänger und Heiler oder Kubanische oder Indigene Perkussionisten vor ein paar hundert Jahren nur, mit dieser Frage herumschlagen? sicher nicht.

Was so unschuldig klingt und scheinbar harmlos begann, war die erste, alles andere als zufällige, also definitiv vorsätzliche Übernahme und schleichende Vereinnahmung des kreativen und offensichtlich bereits damals beträchtlichen Wert schaffenden Potentials der Musikerinnen durch eine sich in ihren äusserst fragwürdigen, weil alle Vielfalt extrem einschränkenden Anfängen befindliche Musik Industrie. Sie schuf damals nur zwecks wesentlicher Vereinfachung ihrer Marketing- und Promotion Aktivitäten mitten quer durch eine extrem vielfältige, friedlich nebeneinander existierende Musiklandschaft, vollkommen aus jedem Zusammenhang gerissen, ein paar lächerliche, oberflächliche Kisten namens Pop, Klassik, Rock, Jazz, Soul, Rock’n Roll, Schlager, Folk, Volksmusik und R’n B, nur um eine stetig wachsende Zahl an ambitionierten Musikerinnen und Künstlerinnen, möglichst Zielgruppen gerecht den Musikliebhabern und „Kunden“ vermarkten und verkaufen zu können.

Tom Resch, Lenny Kravitz, Anna Friedberg and your’s truly, kurz vor einer gemeinsamen Europa Tour

Und dann wurden jahrelang unter den dafür konstruierten Rubriken, Marken und Kategorisierungen Tonnenweise, Vinyl-, Kasetten- und CD Alben verkauft. Dann kam aber sehr bald heimlich, still und leise aber umso schneller über Nacht der nächste böse Coup der Musikpiraten:

Man bemerkte, dass man bei viel zu vielen Künstlerinnen viel Zeit und oft noch wesentlich mehr Geld in ganze Albumproduktionen investierte, um dann in den meisten, besten Fällen oft bloss einen einzigen Song daraus, wenn überhaupt, erfolgreich vermarkten und verkaufen zu können. Es waren nämlich einmal Musikerinnen, Produzenten und Artists am start, die hingebungsvoll und ohne Rücksicht auf den illusorischen Faktor Zeit oder den immer wesentlicheren Faktor Geld bzw. Profit fantastische Alben, atemberaubende, in sich stimmige Gesamtkunstwerke, ganze Abenteuer und wundervolle Reisen in vormals unbekannte musikalische und die Fantasie beflügelnde Welten schufen. Damit war plötzlich und radikal Schluss, als man die Musiker- und Produzenten Kolleginnen mittels des nach wie vor aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen begehrten Giftes „um jeden Preis berühmt zu werden“ mehr oder weniger sanft dazu genötigt hatte, nur noch auf einzelne Songs und Singles, auf die sogenannten „Hits“ zu schielen und zu setzen.

meine US Band „Pink Inc.“ mit Delmar Brown und Jamaaladeen Tacuma

Genau an diesem Wendepunkt trifteten die kreativen Welten von Schriftstellerinnen und die der Musikerinnen in vollkommen entgegengesetzte Richtungen und vollkommen verschiedene Welten bis heute drastisch, brachial und radikal auseinander, befeuert durch eine mehr und mehr profitgeile, gierige und ausschliesslich profitgesteuerte Musikindustrie.

Die meisten Schriftsteller schreiben ja bis heute vor sehr erfolgreich ganze Bücher. Vollkommene, in sich stimmige, mit Alben vergleichbare, oft noch durchaus auf echtem Papier, wundervoll gebundene und gestaltete, mit fantastischen Einbänden versehene, tatsächlich auch oft noch nach Druckerschwärze oder eben Papier duftende Werke trotz einer auch dort sich breit machenden digitalen Variante, vor der die Schriftstellerinnen jedoch nicht so einfach in die Knie zu zwingen waren und nach we vor sind, und geben sich eben nicht bloss mit kreativen und literarischen Fragmenten, Kolumnen, Aufsätzen, Zitaten, Pointen oder Kürzestgeschichten zufrieden.

Anna F. opening für Lenny Kravitz aus der Schlagzeuger Perspektive

Zugleich gesellte sich zu einer immer flacher werdenden musikalischen eben auch eine digitale Revolutionslawine hinzu, die augenblicklich viel Kreatives und Einzigartiges, Innovatives möglich machte aber im selben Atemzug unter sich begrub. Wo auf diversen Plattfomen wie iTunes und Co eine Zeit lang sowohl sogenannte Alben, die oft und immer öfter lieblose, nur als ein noch gewohntes „Produkt“ für die Konsumenten getarnte,verfügbar gemachte, oft lieblos um eine erfolgversprechende Single, also einen einzigen Song herum gestrickte Albumvarianten waren und damit in Folge auch dem „Konsumenten“ immer entbehrlicher erschienen. Daneben boomten gerade immer häufiger und öfter eben nur Single oder maximal EP Produktionen .

Viele Plattenfirmen begannen fast zeitgleich immer öfter nur mehr einem einzigen, erfolgversprechenden Song, und eben nur diesen Song, den potentiellen Hit, unter Vertrag zu nehmen, mit der Künstlerin bzw. dem Künstler als mehr oder weniger lästiges Anhängsel, um diesen einzigen Song dann auf allen zur Verfügung stehenden Platt – Formen für die potentiellen „Konsumenten“ und genau erforschten und immer klarer definierten Zielgruppen vermarkten zu können. Das Verschwinden von CDs und CD Players ging ebenso schleichend daneben einher, obwohl Vinyl besonders bei den wahren Musikliebhabern eine neue Auferstehung und Renaissance zu feiern begann. Also gab es nicht nur Konsumenten, von denen immer mehr dazu erzogen wurden, dass alles billig sein bis nichts kosten darf, also im Grunde der jegliche Qualität zerstörerischen message, nichts wert sei. Nein – Es gab und gibt nach wie vor Menschen, die tatsächlich allem Konsumwahn zum Trotz, Musik „lieben“.

die geniale Wiener Band „Nick Modern“ mit dem Sohnemann Aljosha Kareem an den drums

Auf Basis all dessen begann eines nicht sehr weit zurück liegenden Tages der vorerst letzte, wohl gigantischte Streich der Musikpiraten, indem sich der Geschäftsmann Mr.Ek mit seiner Spotify Idee und so gut wie alle Major Labels in einem fragwürdigen Duett , nein: besser: Chor mit krimineller Energie auf einen gemeinsamen Raub- und Beutezug und Abgesang ohnegleichen zur beidseitigen Profitmaximierung, auf Kosten aller Künstlerinnen und Künstler verschworen und zusammengesungen hatten.

Die Künstlerinnen und Künstler liess man im Glauben, um von den inzwischen begehrten „Konsumenten“ nur ja wahrgenommen und gestreamt werden und um den bitteren Preis, „berühmt werden zu können“, bei jedem Scheiss mitmachen zu müssen. Ein Deal und Szenario, was für die inzwischen streaming Süchtigen, alles gratis erwartenden „Konsumenten“ massgeschneidert wurde. Ein infamer, kaltschnäuziger Kreativdiebstahl ohnegleichen in verschiedenster Hinsicht.

Die Café Drechsler Kaffehaustour 2021 durch die coolsten und schönsten Kaffeehäuser Wiens

Musiker verbringen inzwischen weite Strecken ihrer wertvollen Zeit nicht mehr damit, Songs zu schreiben oder diese liebevoll und hingebungsvoll gleichermassen zu komponieren, zu arrangieren, zu proben und zu produzieren, sondern um eben möglichst auf einer Vielzahl aller gängigen Platt Formen in extremer Selbstausbeutungsmanier überall dabei zu sein, koste es was es wolle. Oft als Marketingtussi, Content Manager und Entwickler, Videoproduzent, Webseiten Gestalter, und, und, und… in Personalunion sein und ihr künstlerisches und kreatives Potential um 0,004891 Dollar pro Song und Stream zu verhökern und zu verschleudern. Furchtbar. Grauslich. Eine echte Tragödie und ein in Wahrhaftigkeit eiskaltes Vergehen gleichermassen.

Harri Stojka, lonely on Stage beim Soundcheck im Grünen

Was tun? Liebe geschätze Musikerkolleginnen und Kollegen, liebe Freunde welcher Musik auch immer, die etwas mehr Tiefgang hat als von künstlicher Intelligenz oder von irgendwelchen Fliessband Formate füllenden Produzenten billigst zusammengeschusterterr, grottenschlechter und oberflächlicher Soundgacke: Bitte , Bitte – macht nicht bei jedem Scheiss mit. Ihr müsst gar nichts !!! Von dieser Konditionierung profitieren ausschliesslich Spotify , eine Musikindustrie und mit Marketingmillionen gestützte Superstars, und sonst niemand. Macht stattdessen bitte wieder Musik für Menschen, die Musik wirklich schätzen und lieben, die wahrhaftige Künstlerinnen und Künstler und nicht als Künstler verkleidete Marketingtussen schätzen, supporten und lieben und befreit euch aus dieser Produkt-, Marketing- , Selbstausbeutungs- und Konsumentenfalle.

AleX featuring die geniale Wiener Band „Origami Punani“

Nehmt euch bitte an den Schriftstellerinnen und Schriftstellern ein bestes Beispiel. Bleibt euch und den Liebhabern eures kreativen Schaffens treu und macht euch nicht zu Prostituierten einer kaltschneuzigen Industrie und vollkommen verpeilter Konsumenten, die auf der ständigen Suche nach dem nächst besseren Moment und Schnäppchen bereit sind, alles Wahrhaftige, Wahre und Echte in diesem künstlich erzeugten Stress, einer vollkommen entbehrlichen Hetzte und einer Vielzahl fiktiver, unnötiger Wettbewerbe zu verraten und für immer zu verlieren: Qualität, Würde, Tiefe, Kunst, Kultur, Musik, Schönheit, Wahrhaftigkeit, das Gefühl für Qualität, Stille und ein Leben und Schaffen, welches seit jeher nur im Hier und Jetzt statt findet. Immer und ewig. Danke. Euer AleX

Es heißt, dass Johannes Brahms mit einem Freund am Strand spazieren ging, der sich beklagte, alle gute Musik sei schon geschrieben worden. »Oh schau«, sagte Brahms und zeigte aufs Meer hinaus. »Da kommt die letzte Welle.« —TERRY PRATCHETT, Die Philosophen der Rundwelt

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pimpmyband11

Alexander A. Deutsch UMAN United Music Angels Network moerdermusic productions & international artist & project development music . consulting . uncoaching, production . lectures . kick ass drums https://pimpmyband.live www.cafedrechslerband.com www.facebook.com/alexander.a.deutsch https://eiblinskidrums.com/2018/07/19/im-gespraech-mit-alex-deutsch we are the seeds of awakening in a sleeping world So, Don't Sleep!!!

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